Der Einsatz von Kammerreusen auf LAVB-Gewässern

Kammerreuse

Über die Möglichkeiten zur odrnungsgemäßen Gewässerbewirtschaftung durch den Einsatz von Kammerreusen berichten an dieser Stelle Manfred Leopold, Gewässerwirtschaft des Landesanglerverbandes Brandenburg, und Andreas Sidow von der Unteren Fischereibehörde Ostprignitz-Ruppin.

Der Landesanglerverband Brandenburg ist als Mitglied des Deutschen Angelfischerverbandes auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes „anerkannter Naturschutzverband“. Als Eigentümer und Pächter von ca. 14.000 Hektar Gewässerfläche ergibt sich daraus eine enorme Verpflichtung. Lt. Brandenburgischem Fischereigesetz gehört das Recht zur Nutzung des Fischereirechtes untrennbar mit der sogenannten „Hegepflicht“ zusammen. Das Fischereirecht verpflichtet zur Erhaltung, Förderung und Hege eines der Größe und Beschaffenheit des Gewässers entsprechenden heimischen Fischbestandes in naturnaher Artenvielfalt.

Auf europäischer Ebene existiert seit 2000 die „Europäische Wasserrahmenrichtlinie“, deren Kerngedanken in einer Verbesserung der Gewässerökologie insgesamt liegen. Parameter sind hier Phytoplankton, Makrophyten, Makrozoobenthos und Fische.

Daneben wird ein Netz aus Schutzgebieten mit jeweiligen Managementplänen im Rahmen des FFH-Schutzgebietssystems „NATURA 2000“ entwickelt. Diesem unterliegen ca. 75 Prozent aller Gewässer des Landes Brandenburg. Wenn man sich diesen gesetzlichen Gegebenheiten gegenübersieht, könnte man meinen, als Fischer und Angler in einem Korsett zu stecken. Zahlreiche Vertreter unseres Verbandes und Berufsfischer werden in öffentlichen oder sonstigen Veranstaltungen Situationen erlebt haben, bei denen einem Vertreter von Naturschutzbehörden oder -verbänden sowie die mit der Erstellung von „FFH-Managementplanungen“ und „Gewässerentwicklungskonzepten“ beauftragte Mitarbeiter von Planungsbüros mit Übermacht gegenübersaßen.

Die Beteiligung von Fischern und Anglern in den laufenden Planungen ist grundsätzlich positiv zu werten, da  die angestrebte Zielstellung nur in einem Miteinander erreicht werden kann. Leider ist in den meisten Fällen zu verzeichnen, dass der Schutz der Fischbestände dem Schutz anderer Tierarten einseitig untergeordnet wird und die zahlreichen positiven Aspekte einer nachhaltigen Nutzung durch Fischer und Angler wenig Beachtung finden.

Vom Grundsatz her gibt es zu dem Ansinnen, die Gewässer einschließlich ihrer Lebensgemeinschaften vor negativen Beeinträchtigungen zu schützen und deren ökologischen Zustand möglichst zu verbessern ja auch überhaupt keine gegensätzlichen Positionen. Grundlage der fachlichen Auseinandersetzung sind hauptsächlich Besatzmaßnahmen und die angebliche vordergründige Beangelung oder Befischung von Raubfischen. Hierzu bestehen zahlreiche Voreingenommenheiten und Vorurteile, die stets und ständig wiederholt werden. Insbesondere die Übertreibungen zum Karpfenbesatz und dessen negative Auswirkungen auf die Gewässerökosysteme erreichen teilweise groteske Ausmaße.

Behauptungen sind schnell in die Welt gesetzt und je öfter sie wiederholt werden, umso mehr verfestigen sie sich und werden zum „Selbstläufer“.

Grundsätzlich sind die Kenntnisse über den tatsächlich in Gewässern vorhandenen Fischbestand, sowohl bei Naturschützern und Planern als auch bei Anglern bzw. Angelvereinen vielfach unzureichend. Viele Angelfreunde werden es selbst schon erlebt haben, dass z. B. bei Fischsterben nach längerer Eisbedeckung im Winter so viele Fische sichtbar werden, wie niemand vermutet hätte. In der Berufsfischerei gehören „Massenfänge“, vor allem an Weißfischen, vordringlich Bleie, Plötzen und Güstern, mit Zugnetzen und Großreusen zur Normalität. In den meisten Gewässern des LAVB fehlen diese Möglichkeiten, weil die einzelnen Angelfreunde in den jeweiligen Bewirtschaftungskollektiven ehrenamtlich tätig sind und nicht über die technischen Möglichkeiten der Berufsfischerei verfügen. Der gebräuchliche Einsatz der Elektrofischerei ist effizient und nützlich für kleinere Fließgewässer. In größeren Gewässern stößt diese Methode an ihre Grenzen und ist bestenfalls dazu geeignet, die in der Uferzone vorkommenden Fischarten zu erfassen. Die vorhandenen Fischmengen bleiben größtenteils unerkannt.

Auch der an einigen Stellen praktizierte Einsatz von Stellnetzen führt hier nicht viel weiter. Sinnvoll wäre deshalb eine noch engere Zusammenarbeit von Berufsfischerei und Anglerverband in der Hinsicht, geeignete Fischereimethoden, also Zugnetze und Großreusen, auch auf den Gewässern des LAVB  noch effektiver zu nutzen. Aus diesen Überlegungen heraus sollte die Möglichkeit geprüft werden, sogenannte „Kammerreusen“ zu testen. Der Vorteil dieses Reusen-Typs liegt darin, den gefangenen Fischen eine sehr große Bewegungsfreiheit zu gewähren, die es ermöglicht, diese ohne Verletzungen zurückzusetzen bzw. bis zu ihrer Entnahme und sinnvollen Verwendung überaus schonend zu behandeln.

Des Weiteren können diese Reusen „Massenfänge“, insbesondere an Weißfischen während der Laichzeit, vermutlich besonders gut realisieren.

In der Praxis ist die Nutzung von „Kammerreusen“ keine Neuerfindung, sondern in der Küsten- und Boddenfischerei Deutschlands und Hollands seit jeher gang und gäbe. In Holland verwendet man dafür auch den Begriff „Bundgarn“, in Deutschland „Kumreuse“. Weshalb sich diese Methode nach Kenntnis der Autoren bislang nirgendwo in der Binnenfischerei durchgesetzt hat, ist vermutlich auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Maßgeblich werden dafür der höhere Materialaufwand und vor allem die wesentlich schwierigere Handhabung im Vergleich zu herkömmlichen Reusentypen sein.

Die Erwerbsfischerei verfügt mit der Zugnetzfischerei seit jeher über eine hocheffektive Methode zur Regulierung von „Massenfischen“. Deshalb war es hier nicht zuletzt auch aus Rentabilitätsgründen bislang nicht erforderlich, für diesen Zweck Alternativen zu entwickeln.  An dieser Stelle kommt unserem Verband die Bereitschaft der in den bestehenden Bewirtschaftungskollektiven tätigen, qualifizierten Mitarbeiter als auch das Engagement weiterer interessierter Angler zugute. Durch ihren ehrenamtlichen Einsatz wird es ermöglicht, anderenorts bereits bewährte Fangmethoden auch in den Gewässern des Landesanglerverbandes Brandenburgs ohne hohen finanziellen Aufwand zu erproben.

Beginnend im Frühjahr 2013 wurde die erste „Kammerreuse“ im Königsberger See bei Wittstock (P16-103) getestet. Neben der Bestätigung eines hervorragenden Zanderbestandes und dem Nachweis zahlreich vorkommender, ausgesprochen großer Karauschen, die niemand vermutet hätte, konnten dem Gewässer während einer Einsatzzeit von nur drei Wochen ca. 460 Kilogramm „Weißfisch“ aus Gründen der Hege entnommen werden. Im Jahr 2014 wurde die Methode auf eine Reusenanzahl von insgesamt fünf erweitert und auf weitere LAVB-Gewässer sowie in Zusammenarbeit mit der Naturparkverwaltung „Stechlin-Ruppiner-Land“ auch auf Gewässer innerhalb von Naturschutzgebieten übernommen. Herausragendes Ergebnis war der Einsatz von zwei „Kammerreusen“ im Schenkendöbener See  (C07-115), einem Flachgewässer mit ca. 17 Hektar Wasserfläche im Landkreis SPN über den Zeitraum von Mai bis August. Der See ist enorm nährstoffreich und wintergefährdet. Der LAVB hat hier als Eigentümer die Verpflichtung seitens der Naturschutzbehörde, den vorhandenen Weißfischbestand maßgeblich zu reduzieren. Im Ergebnis des diesjährigen Reuseneinsatzes konnten insgesamt 1.093 Kilogramm „Weißfisch“, fast ausschließlich mittelgroße Bleie, und 302 Kilogramm verbuttete, kleinwüchsige Barsche entnommen werden. Weiterhin gelang der Nachweis eines guten Aal- und Hechtbestandes.

Bemerkenswerterweise wurden in allen bisher auf diese Weise untersuchten Gewässern nur verhältnismäßig wenig Karpfen gefangen. Im Schenkendöberner See waren es gerade einmal zwei Stück, im Königsberger See 14 Stück. Diese Erfahrung deckt sich mit den bei Fischern und Anglern lange bekannten Erfahrungen dahingehend, dass Karpfen sehr begehrte Fangobjekte sind und sich relativ leicht angeln lassen. Überbestände, die nach pauschaler Meinung zahlreicher Naturschutzvertreter durch ihre Wühltätigkeit angeblich den ökologischen Zustand fast aller Fischerei- und Angelgewässer maßgeblich schädigen sollen, existieren bis auf wenige Ausnahmen in der Praxis nicht.

Diese Meinung ist sehr weit verbreitet und wird bewusst oder unbewusst zum Nachteil der Fischer und Angler ständig in die Welt gesetzt. Umso wichtiger ist es, durch repräsentative Fangnachweise das Gegenteil zu beweisen. Die meisten unserer Gewässer haben ein Problem mit zu hohen Weißfischbeständen, insbesondere an Bleien. Diese üben einen mitunter sehr hohen Fraßdruck auf Zooplankton und Makrozoobenthos aus und verringern so das Nahrungsangebot für eine Vielzahl anderer Fischarten. Gleichzeitig führen sie durch Wühltätigkeit zur Nährstofffreisetzung und Schädigung an Wasserpflanzen.  Betrachtet man die Begriffe Gewässerökologie und Naturschutz einerseits und ordnungsgemäße fischereiliche Bewirtschaftung andererseits, so stellt man fest, dass beide Dinge sehr eng beieinander liegen.

Maßgeblich sollte in der fachlichen Auseinandersetzung zwischen Naturschützern und Anglern sein, mit wissenschaftlich blegbaren Tatsachen zu argumentieren und nicht, wie in der Vergangenheit zumeist üblich, mit Behauptungen oder Vermutungen.

Die Grundlage einer ordnungsgemäßen fischereilichen Bewirtschaftung ist immer ein exakter Kenntnisstand zu den jeweiligen Gewässern. Gerade deshalb sind auch ordnungsgemäß ausgefüllte und vollständig erfasste Fangbelege so wichtig. Stellt man fest, dass sich ungünstige Verhältnisse im Fischbestand entwickeln oder entwickelt haben, gilt es, diesem durch geeignete Hegemaßnahmen, was in der Praxis in erster Linie Weißfischentnahme bedeutet, entgegenzuwirken. Erst danach sollte sich die Frage stellen, ob ein Fischbesatz tatsächlich sinnvoll ist. Die natürlichen Nahrungsgrundlagen lassen nur einen begrenzten Fischbestand zu. Ein Mehr an Besatz ist in den seltensten Fällen tatsächlich angebracht. Viel häufiger wäre es sinnvoller, den Fischbestand zielgerichtet auszudünnen und ihm dadurch eigene Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Der Einsatz von „Kammerreusen“ auf den Gewässern des LAVB könnte dafür eine geeignete Möglichkeit sein.

Über weitere Ergebnisse und Erfahrungen werden wir zu gegebener Zeit im „Märkischen Angler“ berichten. (Fotos: Andreas Sidow)