Internationale Tagung: „Die Fischfauna der Oder und ihre aktuelle Gefährdung“

Oderkonferenz

Vor dem Hintergrund geplanter und bereits begonnener Ausbauvorhaben für die Oder hatte das Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow (IfB) auf Bitte des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) historische und aktuelle Daten zum Fischbestand der Oder in einer Studie zusammengefasst und 2023 in seiner Schriftenreihe veröffentlicht. Zur Verbesserung des Wissenstransfers zwischen Deutschland und Polen förderte das MLUK im Jahr 2024 zunächst eine polnische Übersetzung der Schriftreihe.

Mit Hilfe einer weiteren Förderung konnte das IfB eine internationale Tagung organisieren, die am 2. Oktober in Frankfurt (Oder) abgehalten wurde und den Austausch von über 70 Vertretern und Vertreterinnen aus Behörden, Wissenschaft, Verbänden/Vereinen, Fischereibetrieben beider Länder ermöglichte. Mit der Tagung, die unter der Schirmherrschaft vom damaligen Agrar-, Umwelt- und Klimaschutzminister Axel Vogel stand, sollte nicht nur ein Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmenden erfolgen, sondern zugleich die weitere Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg vertieft werden.

Dr. Andreas Müller-Belecke eröffnete als stellvertretender Direktor des IfB die Tagung, begrüßte die Teilnehmenden und betonte die Wichtigkeit des internationalen Treffens vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse – der begonnene weitere Ausbau der Oder, das große Fischsterben im August 2022 wie auch die kürzlichen Hochwasserereignisse. Er sprach seinen besonderen Dank an das MLUK und Minister Vogel für die Unterstützung aus sowie für das Interesse und die Bereitschaft der Teilnehmenden, sich gemeinsam für den Erhalt und die Verbesserung der ökologischen Zustände im Oder-Gebiet einzusetzen.

Minister Vogel machte in seinen einführenden Worten nochmals deutlich, dass mit der vorliegenden Broschüre zur Oder sowie der Tagung nicht nur der ökologische Wert der Stromlandschaft der Oder, sondern auch die aktuellen Gefährdungen dokumentiert werden sollten. Sie unterstreichen im Hinblick auf die Oder-Katastrophe von 2022 wie auch der kürzlichen Hochwasserlage zugleich die Wichtigkeit, die natürliche Widerstandskraft des Stromes und seiner Aue zu stärken und daher auch die aktuellen Ausbaupläne ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen. Hierzu ist generell eine enge Zusammenarbeit mit Polen unerlässlich, weshalb das derzeit in Beantragung befindliche gemeinsame INTERREG-Projekt von großer Bedeutung ist.

Dr. Jörn Gessner (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin, IGB) stellte als Mitautor die wesentlichen Inhalte und Aussagen der herausgegebenen Studie vor und betonte die herausragende Bedeutung des Einzugsgebiets der Oder für die Wiederansiedlung des Baltischen Störs (Acipenser oxyrinchus) im Ostsee-Gebiet (siehe: obenstehendes Bild).

Dr. Andrzej Kapusta (Instytut Rybactwa Śródlądowego Olsztyn, IRŚ) hob in seinem Vortrag zur Fischfauna der polnischen Oder hervor, dass der Kenntnisstand generell noch sehr unzureichend ist. Erst durch die Einführung der Elektro-Fischfangmethode und die obligate fischökologische Zustandsüberwachung im Rahmen der Umsetzung der EG-WRRL hat sich dieser etwas verbessert. Er stellte wichtige Monitoring-Ergebnisse für das polnische Oder-Gebiet vor und beschrieb insbesondere die diadromen Wanderfischarten – sowohl deren historischen Niedergang als auch die aktuelle Situation sowie die aktuellen Wiederansiedlungsbemühungen.

Prof. Roman Zurek (Institute of Nature Conservation / Polish Academy of Sciences PAN / Instytut Ochrony Przyrody IOP Kraków) verwies im Hinblick auf die Ziele der EG-WRRL in seinem Vortrag auf die aktuell größten Probleme in der Oder – die Gefahr akuter Prymnesium-Belastungen, das unzureichende Überwachungssystem, die weiterhin hohe Belastung durch organische Substanzen sowie v.a. die aktuellen und geplanten ausbaubedingten Beeinträchtigungen (u.a. Buhnen und Staubauwerke). So lange diese Probleme nicht behoben werden, bezweifelt Prof. Zurek, dass die Oder jemals die Ziele der EG-WRRL erfüllen wird. Er forderte daher eine Verlagerung der Schifffahrt auf neu zu errichtende Seitenkanäle und eine Verbesserung der linearen und lateralen ökologischen Durchgängigkeit im Strom und zur Aue, damit die Fische akuten Belastungen besser ausweichen und ihre angestammten Laichgebiete erreichen können.

Die Fischereiwissenschaftler Thilo Pagel und Philipp Czapla (IfB) berichteten in ihrem Vortrag über aktuell laufende Projekte zur Erfassung der angel- und berufsfischereilichen Nutzungen entlang der deutschen Oder im Nachgang der Prymnesium-Katastrophe 2022 (siehe: untenstehendes Bild). Sie stellten das methodische Vorgehen in einem spezifischen Monitoring-Programm sowie erste Ergebnisse zu den Auswirkungen auf die Fischfauna und den resultierenden Schäden in der Fischerei vor. Projektziele sind nicht nur die weitere Gewährleistung einer ökologisch nachhaltigen, sondern auch ökonomisch tragfähigen sowie sozialverträglichen Nutzung der Fischbestände.

Über die aktuellen, v.a. angelfischereilichen Nutzungen im polnischen Oder-Gebiet berichtete Dr. Marek Trella (Instytut Rybactwa Śródlądowego Olsztyn, IRŚ). Er beschrieb v.a. die Regeln und Zuständigkeiten zu den laufenden Besatzprogrammen in den relevanten Woiwodschaften und vermittelte einen Eindruck zu den bisherigen, sehr umfangreichen Aufwendungen der Angler zur Förderung der Oder-Fischfauna in den zurückliegenden Jahren.

Prof. Elżbieta Dumnicka (Polish Academy of Sciences PAN/Institute of Nature Conservation PAS Warszawa) beschrieb in ihrem Vortrag die Dynamik der benthischen wirbellosen Tiere im polnischen Teil der Oder in den Jahren 2022 (vor der Prymnesium-Katastrophe) bis 2024. Neben räumlich großen Unterschieden zwischen Strommitte und Uferzone waren bei einigen Organismengruppen bedingt durch die Katastrophe zeitweise Bestandseinbrüche zu verzeichnen, die sich aber bis 2024 mit Ausnahme der Muscheln wieder erholten. Aktuell wird der ökologische Zustand der Oder mit „mäßig“ bis „unbefriedigend“ bewertet.

Jörg Schönfelder (Landesamt für Umwelt Brandenburg, LfU) lieferte in seinem Vortrag ähnliche Informationen zum aktuellen biologischen Zustand der deutschen Oder. Als besonders prekär wurde dabei die sehr geringe Besiedlung der Stromoder mit Unterwasserpflanzen beschrieben.

Prof. Piotr Parasiewicz (Instytut Rybactwa Śródlądowego Olsztyn, IRŚ) berichtete über aktuelle Versuche, das Auftreten sowie die Gefährdungspotenziale durch die toxinbildende Goldalge Prymnesium parvum zu simulieren und damit mögliche Algenblüten zukünftig besser vorhersagen zu können.

Dr. Karla Münzner (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin, IGB) präsentierte in ihrem Vortrag die aktuelle Belastungssituation der Oder mit Algen, insbesondere mit der Goldalge Prymnesium parvum, die in dem Sonderuntersuchungsprogramm „Oder-SO“ überwacht wird. Hierbei gab es 2024 eine ähnlich starke Algenblüte wie bei der Katastrophe 2022, jedoch blieb die Toxinbildung aus. Es wurden starke Zusammenhänge zur Salzkonzentration festgestellt, wobei noch unklar ist, welche Stressfaktoren konkret zur Prymnesinbildung beitragen.

Heiko Harder (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg, MLUK) umriss in seinem abschließenden Vortrag den hohen fischökologischen und fischereilichen Wert der Oder und betonte die dringende Notwendigkeit einer Zusammenarbeit über die Ländergrenzen hinweg. Hierzu umriss er die bisherigen Förderungsmöglichkeiten (u.a. Fischereiabgabe, EMFAF) und legt große Hoffnung in das beantragte INTERREG-Projekt „Oder-Zusammen“.

Dr. Andreas Müller-Belecke (IfB) beendete die Tagung, bedankte sich bei allen Referenten für die sehr informativen Beiträge und bei den Tagungsteilnehmern, die zugleich die Wichtigkeit der Oder und ihr Interesse an einer fischökologisch und fischereilich positiven Entwicklung unterstreichen (siehe: obenstehendes Bild) . Er sieht in der Tagung einen guten und erfolgreichen Ansatz, sich dafür fachlich auszutauschen, zu vernetzen und mit Hilfe gemeinsamer Projekte einzusetzen.

Vertiefende Informationen zu den Beiträgen (Abstracts) sowie auch den Kontakt zu den Referenten sind hier abrufbar.

Text: Steffen Zahn, Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow (IfB); Fotos: Marcel Weichenhan / LAVB